Fall aus unserer Praxis: Mandant mit über 60 gelingt der Wechsel in die GKV

Ein Bericht von rentenbescheid24.de

Das Team der Rentenberater und Rechtsanwälte von rentenbescheid24.de berichtet von einem Fall aus ihrer Praxis. Ein selbstständiger Handwerksmeister, der über 60 Jahre alt ist, wollte aus der privaten Krankenversicherung in die gesetzliche KV wechseln. Und zwar über die Familienversicherung seiner Ehefrau. Was an sich kein Problem darstellen dürfte, wurde für ihn zur Geduldsprobe.

 

Über 60 Jahre alt und in die GKV gewechselt! Geschafft hat es ein selbstständiger Handwerksmeister. Und zwar über die Familienversicherung seiner Ehefrau. Wenn privat Krankenversicherte über 55 Jahre alt aus ihrer Versicherung in die gesetzliche KV wechseln wollen, wird es schwierig. Nicht unmöglich, aber schwierig. Der Wechsel über die Familienversicherung ist ein Weg, der machbar ist. Dabei anscheinend noch der „leichteste“. Sollte man meinen. Der Praxisfall der Rechtsanwälte und Rentenberater von rentenbescheid24.de stellte sich aber anders dar.

 

Über 60 Jahre alt und in die GKV gewechselt: Erst Rentenberatung und dann die Wechselfragen

Unser Kunde, über 60 Jahre alt, ist selbständiger Handwerksmeister (besser er war es bis zum 30.06.2019) und verheiratet. Die Kinder sind aus dem Haus. Sein Lebensmodell sah so aus, dass er eigentlich bis zum 63. Lebensjahr weiterarbeiten wollte. Er hat keine Angestellten und erledigte im Stahlbau kleinere Auftragsarbeiten. Er war mit einem stehenden Gewerbe im Gewerberegister und als Handwerksmeister in der Handswerksrolle eingetragen. Er bat uns um Prüfung seiner Rentenansprüche. Unser Kunde machte sich kurz nach der Wende selbstständig und zahlte nach Ablauf der 18 Jahre Pflichtbeitragszeiten noch weiter in die Rentenkasse mit freiwilligen Beiträgen ein.

Ein Glück für ihn, denn somit hatte er sich seinen Erwerbsminderungsrentenschutz erhalten. Die Prüfungen durch uns ergaben, dass er die 35 Jahre Wartezeit für einen vorzeitigen Rentenbeginn locker erreicht hat. Somit einem Renteneintritt nichts im Wege steht, außer das Lebensalter.

Damit war unser Auftrag erledigt. Sollte man meinen. Ein paar Wochen später rief uns die Ehefrau unseres Mandanten an, und teilte uns mit, dass ihr Ehemann aufhören müsse mitarbeiten. Seine Mutter sei durch eine unerwartete schwere Erkrankung ein Pflegefall geworden. Er wolle sich unbedingt um seine Mutter kümmern. Ins Pflegeheim wollte er sie nicht bringen. Was wird jetzt aus der privaten Krankenversicherung, die unseren Mandanten ca.500€ im Monat kostet, inklusive Pflegeversicherung. Seine monatlichen Einnahmen und Rücklagen reichten nicht aus, um auf ewig die monatlichen Prämien weiter zu zahlen.

 

Über 60 Jahre alt und in die GKV gewechselt: Die Krankenkasse übte massiven Druck aus

Wir haben unseren Mandanten gebeten zur Beratung in unser Büro nach Halle zu kommen. In der Beratung haben wir verschiedene Varianten abgeprüft, ob ein Wechsel aus der privaten KV sinnvoll ist, vor allem unter dem Hinblick der Altersrückstellungen und ob ein Tarifwechsel in Betracht kommt. Zu einem Tarifwechsel selbst konnten wir nicht beraten, weil dieses Thema so speziell ist, in dem sich in Deutschland wirklich nur eine Handvoll Experten auskennen. Für unserem Mandanten kam diese Variante sowieso nicht in Betracht. Denn er musste auf einem Schlag seine Tätigkeit als Handwerker herunterfahren und konnte nur noch wöchentlich weniger als 15 Stunden in seinem Gewerbe arbeiten.

Daher rieten wir ihm, dass er sich über die Familienversicherung seiner Ehefrau gesetzlich krankenversichern sollte. Der Antrag war schnell gestellt. Die Formulare ausgefüllt. Aber dann ging der Ärger erst richtig los. Die Krankenkasse (Knappschaft) stellte sich auf die Hinterbeine und behauptete, dass unser Mandant weiterhin hauptberuflich selbstständig tätig war. Er müsse sich gewerblich abmelden. Seine Steuerbescheide aus 2016 und 2017 wiesen einen Gewinn vor Steuern aus, der im Monatsdurchschnitt höher war, als die Einkommensobergrenze in der Familienversicherung. Die Familienversicherung wurde abgelehnt. Unser Mandant überlegte nunmehr ob er Widerspruch und Klage einlegen sollte, mit ungewissen Ausgang. Nicht einmal die Tatsache, dass unser Mandant als Pflegeperson von der Pflegekasse seiner Mutter anerkannt wurde und er deswegen gesetzlich rentenversicherungspflichtig wurde, reichte der Knappschaft nicht aus.

 

Wir rieten seiner Frau in eine andere gesetzliche Krankenkasse zu wechseln, weil unsere Erfahrungen zeigten, dass die Rechtsanwendungen bei der Familienversicherung in den Kassen unterschiedlich bewertet werden. Insbesondere der Knackpunkt die Aufgabe der hauptberuflichen selbstständigen Tätigkeit.

 

Krankenkassen üben unzulässigen Druck aus

Die Kassen üben massiven Druck auf die Selbstständigen aus und akzeptieren oft nur Steuerbescheide, aus denen sich die Einkommen unterhalb der Freibeträge in der Familienversicherung ergeben oder die vollständige Aufgabe der gewerblichen Tätigkeit durch Abmeldung des Gewerbes.

Hintergrund dieser – aus unserer Sicht rechtswidrigen Vorgehensweise der Krankenkasse- ist, dass die Rechtsaufsicht der Krankenkassen zurzeit intensiv die Kassen wegen ihrer Mitglieder prüft. Insbesondere deswegen, ob und wie es zur Versicherungspflicht gekommen ist. Dies hängt- so können wir nur vermuten- mit den Geldzuweisungen der gesetzlichen Krankenkassen aus dem Risikostrukturausgleich zusammen.

Über 60 Jahre alt und in die GKV gewechselt: Neue Krankenkasse neues Spiel

Die Ehefrau unseres Mandanten wechselte in eine andere gesetzliche KV. Zwischenzeitlich musste unser Kunde jeden Monat, der ins Land lief, weiter die Prämien für die PKV zahlen. Er hat sich klar gegen das Risiko eines langen Rechtsstreites entschieden, weil er für diese Zeit auch krankenversichert sein muss. Die Knappschaft wollte ihn nicht aufnehmen, weil er sein Gewerbe nicht abmeldete.

Nachdem der Wechsel seiner Frau durchgeführt war, stellten wir einen neuen Antrag auf die Familienversicherung. Wieder mit Vordrucken und Nachweisen. Unter anderem auch mit einer durch das Steuerbüro nachgewiesenen Einnahme-Überschuss-Rechnung für das angefallene Geschäftsjahr 2019 und eine BWA für 2018. Nach ein paar Telefonaten mit der Sachbearbeiterin der neuen Krankenkasse, kam Anfang 07-2019 die Aufnahmebestätigung in die Familienversicherung. Offenbar hatte die Rechtsabteilung der Krankenkasse keine Probleme damit, dass unser Mandant sein Gewerbe nicht abmeldete. Sondern der Zahlennachweis reichte, dass er nicht mehr hauptberuflich selbstständig tätig ist, sondern nur noch maximal nebenberuflich und sein monatliches Einkommen unterhalb der Grenzen des § 10 SGB V liegt.

Nach Lage der Dinge wird unser Mandant seine gewerbliche Tätigkeit dennoch aufgeben müssen, weil der Gesundheitszustand seiner Mutter die er pflegt, sich nicht verbessert hat.

 

Von wegen einfach mal so in die Familienversicherung wechseln. Die Angst der Krankenkassen vor der Prüfung durch das Bundes­versicherungs­amt treibt echte Stilblüten. So wird behauptet, dass der selbstständige Unternehmer seine selbstständige Tätigkeit vollständig aufgeben müsse, ansonsten gibt es keinen Zugang zur Familienversicherung. In der Praxis leider kein Einzelfall, diese falsche Rechtsanwendung. Damit auch eine massive Verzögerung zum Zugang der Familienversicherung. Für unseren Kunden gab es die gute Nachricht. Geschafft endlich Mitglied in der GKV. Die PKV muss noch für den Monat Juli die gezahlte Prämie an ihn zurückzahlen.

 


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